Wissenswertes über den Kranich:

Merkmale

Kranich im Abendlicht (Grus grus)

Kraniche sind große bis sehr große Vögel, die mit ihrem langen Hals und ihren langen Beinen äußerlich an Störche und Reiher erinnern. Mit einer Körperlänge zwischen 90 und 150 cm gehören sie zu den größten Vögeln überhaupt. Der Saruskranich steht aufrecht vom Boden zur Scheitelspitze 176 cm hoch, höher als jeder andere flugfähige Vogel. Das Gewicht der Kraniche reicht bis zu 12 kg (Mandschurenkranich). Männchen sind etwas größer und schwerer als Weibchen, ansonsten gibt es keinen Geschlechtsdimorphismus.

Im Gefieder der Kraniche herrschen Grau- und Weißtöne vor. Generell sind die am weitesten nördlich lebenden Kraniche die hellsten und größten Vertreter, während nach Süden hin die Arten dunkler und kleiner werden. Schwarzes Gefieder findet man hauptsächlich am Hals, am Schwanz und an den Handschwingen, allerdings nicht bei allen Arten. Nur die Kraniche der Gattung Anthropoides haben komplett befiederte Köpfe. Bei anderen Kranichen sticht leuchtend rote nackte Haut hervor, die in unterschiedlichem Maße ausgeprägt ist. Der Klunkerkranich hat zudem zwei auffällige Kehlsäcke. Kronenkraniche haben einen kleineren Kehlsack und eine gelbe Federhaube auf dem Scheitel.

Wie Störche fliegen Kraniche mit gestrecktem Hals, während die Reiher den Hals im Fluge S-förmig gebogen halten. Die Beine werden dabei waagrecht nach hinten gestreckt. Der Fuß ist bei den Kronenkranichen deutlich anisodaktyl, das heißt drei Zehen sind nach vorn und eine nach hinten gerichtet. Dagegen ist die Hinterzehe der anderen Kraniche (Gruinae) verkümmert.

Anatomisch ist bei den Gruinae eine stark vergrößerte Luftröhre bemerkenswert, deren knöcherne Ringe mit dem Brustbein verschmolzen sind. Diese Ausprägung, die den Kronenkranichen fehlt, dient dem Ausstoßen lauter Rufe.

Dementsprechend sind die Rufe der Kronenkraniche relativ leise, während die Kraniche der Gattung Grus außerordentlich laute, trompetenartige Rufe ausstoßen können. Zum typischen Repertoire von Kranichen gehören ein Kontaktruf, ein Warnruf, ein vor dem Abflug ausgestoßener Ruf und ein Duettruf, der die Paarung begleitet. Der letztere ist dabei der lauteste.

Verbreitung und Lebensraum

Vertreter der Kraniche lassen sich auf allen Kontinenten der Erde außer in der Antarktis und Südamerika finden. Dabei bewohnen die Arten der Gattung Grus die arktischen und gemäßigten Regionen der Nordhalbkugel; Ausnahmen sind allein der südasiatische Saruskranich und der australische Brolgakranich. Die anderen Gattungen finden sich in tropischen und subtropischen Breiten Afrikas und Asiens.

Bevorzugter Lebensraum der Kraniche sind offene Landschaften wie die Tundra oder die Savanne. Viele Arten sind ans Wasser gebunden und kommen daher hauptsächlich in sumpfigen Habitaten vor. Die Arten der Gattung Anthropoides kommen auch in ariden Grasländern und Halbwüsten vor.

Während einige Kranicharten in wärmeren Klimazonen Standvögel sind, sind solche in kälteren Klimazonen Zugvögel, die lange Strecken von mehreren tausend Kilometern überwinden müssen. Der Schneekranich zieht aus dem äußersten Norden Sibiriens nach Iran, Indien und Südchina; manche Populationen des Kanadakranichs ziehen aus den arktischen Regionen Kanadas und Alaskas bis nach Florida und Mexiko. Kraniche ziehen in einer V-Formation in Höhen von etwa 2000 m, ausnahmsweise sogar 10.000 m. An einem Tag werden typischerweise 300 km, manchmal sogar 800 km zurückgelegt. Die Fluggeschwindigkeit beträgt dabei 60 bis 80 km/h.

Lebensweise

Aktivität

Kraniche sind tagaktive Vögel, die am Morgen und am Abend die größte Aktivität zeigen. Nachts ruhen sie auf Bäumen (Kronenkraniche) bzw. auf dem Grund (Gruinae). Während sie in der Brutzeit einzelgängerisch sind, sind sie ansonsten gesellige Vögel, die in großen Schwärmen auftreten.

Eine bekannte Verhaltensweise der Kraniche ist das "Tanzen". Tänze spielen eine Rolle bei der Paarbildung, bei bereits verpaarten Vögeln dienen sie der Festigung der Paarbindung. Jedoch werden Tänze auch außerhalb der Paarungszeit aufgeführt. Am aktivsten sind dabei juvenile und subadulte Vögel. Beim Tanzen springen die Vögel mit ausgebreiteten Flügeln, stoßen dabei laute Rufe aus und werfen Gras und andere Objekte mit dem Schnabel in die Luft. Die genaue Ausprägung des Tanzes ist von Art zu Art unterschiedlich.

Ernährung

Kraniche sind Allesfresser, die sowohl pflanzliche (Samen, Wurzeln, Blätter, Kräuter, Gräser, Nüsse, Beeren) als auch tierische (Würmer, Mollusken, Insekten, Krebstiere, Fische, Frösche, Eidechsen, Nagetiere) Nahrung zu sich nehmen. Auf der Nahrungssuche streifen Kraniche umher, bleiben also nicht nach Reiherart in Lauerstellung auf einer Stelle stehen. Zu unterschiedlichen Jahreszeiten kann unterschiedliche Nahrung bevorzugt werden.

Die kurzschnäbligen Arten (Grauer Kranich, Jungfernkranich, Kronenkraniche u. a.) grasen nach Art von Gänsen und fressen, was sich an der Oberfläche anbietet. Dagegen wühlen die langschnäbligen Arten (Schneekranich, Saruskranich, Brolgakranich u. a.) in weichem, feuchtem Boden nach Wurzeln und anderer Nahrung.

Fortpflanzung

Die Brutzeit der Kraniche beginnt in den nördlich-gemäßigten und polaren Zonen zwischen April und Juni. Dagegen ist sie in den Tropen variabel. Manche Arten brüten dort zur Regenzeit, andere zu beliebigen Zeiten des Jahres. Kraniche leben monogam. Die Paare bleiben normalerweise zusammen, bis ein Partner stirbt. Sind die Bruten eines Paars dauerhaft erfolglos, kann es allerdings zu einer vorzeitigen Trennung kommen.

Zu Beginn der Brutzeit führen Kraniche, die sich zu einem Paar zusammengefunden haben, die typischen Tänze auf. Bei den Paaren, die sich bereits in einer der vorherigen Brutperioden gefunden haben, bleiben die Tänze aus, hier kommt es gleich zur Kopulation. Die Kopulation ist gefolgt von gegenseitigem Gefiederputzen.

Beide Partner beteiligen sich am Bau des Nests. Für gewöhnlich nisten Kraniche am Boden; nur die Kronenkraniche bauen das Nest auch auf Bäumen, aber selbst bei ihnen ist dies die Ausnahme. Jungfern- und Paradieskranich bauen gelegentlich überhaupt kein Nest, sondern legen die Eier auf den nackten Boden. Im Normalfall bauen Kraniche in sumpfigem Gelände ein Nest aus aufgehäuften pflanzlichem Material. Das Gelege besteht bei fast allen Arten aus zwei Eiern. Der Klunkerkranich legt lediglich ein Ei, die Kronenkraniche drei bis vier Eier. Die Farbe der Eier ist bei tropischen Arten weiß oder bläulich, bei den Arten der kälteren Klimazonen dunkler. Dunkle Eier absorbieren das im Norden spärliche Sonnenlicht, während helle Eier es reflektieren. Die Eier der meisten Kranicharten sind mit einem Fleckenmuster überzogen.

Die Brut dauert im Durchschnitt dreißig Tage. Beide Partner brüten, der Anteil des Weibchens ist jedoch höher. So brüten Weibchen die ganze Nacht über, während die Partner am Tage einander abwechseln. Auch an der Fütterung der Jungen beteiligen sich beide Eltern. Das Nest wird schon nach wenigen Tagen verlassen, so dass die Jungen selbst nach Nahrung suchen. Sie sind allerdings noch lange auf den Schutz der Eltern angewiesen. Jungfernkraniche werden nach 55 bis 60 Tagen, Klunkerkraniche nach 90 bis 130 Tagen selbständig. Oft kommt nur eines der Jungen durch, da das zuerst geschlüpfte Junge stärker ist und sein Geschwister am Zugang zur Nahrung hindert. Beim Schneekranich verlassen die Eltern mit dem ersten Jungen das Nest sogar stets vor dem Schlüpfen des zweiten, so dass letzteres immer auf sich gestellt ist und verhungert.

Stammesgeschichte

Die ältere Gruppe der Kraniche bilden die Kronenkraniche, die fossil seit dem Eozän bekannt sind. In jener Zeit lebten Kronenkraniche auch in Europa und Nordamerika. Die "echten" Kraniche (Gruinae) sind fossil seit dem Miozän belegt. In Wyoming fand man einen Beinknochen des heutigen Kanadischen Kranichs aus der Zeit des Pliozäns. Im mittleren bis späten Pleistozän waren viele der heutigen Kranicharten schon in ihrem jetzigen Verbreitungsgebiet zu Hause.[1]

Systematik

Kraniche werden den Kranichvögeln zugeordnet. Innerhalb dieser Ordnung stellen ihre nächsten Verwandten der Rallenkranich, die Trompetervögel und die Trappen.

Traditionell werden Kraniche in zwei Unterfamilien geteilt. Den Kronenkranichen (Balearicinae) fehlt der Resonanzraum, der bei den echten Kranichen (Gruinae) durch die vergrößerte und gewundene Luftröhre gebildet wird. Während die Kronenkraniche nur zwei Arten umfassen, gehört zu den Gruidae der Großteil der Arten. Hierin wiederum stellt die Gattung Grus bei weitem die meisten Arten.